Kurze Meßbetrachtung
1. Teil
1. Einleitung
Seit alters her ist in der katholischen Kirche der Grundsatz verbreitet
gewesen: „Legem credendi lex statuit supplicandi“ - das Gesetz, die
Ordnung des Betens bestimmt das Gesetz, die Ordnung des Glaubens. Mit
anderen Worten kann man sagen, daß der Glaube der Kirche in ihrer
Glaubenspraxis zum Vorschein kommt bzw. kommen muß. Der Glaubensinhalt muß
sich auch aus dem Gebetsleben der Kirche ermitteln lassen.
Bekanntlich gilt neben der Hl.Schrift die lebendige Tradition der Kirche
als die zweite Quelle der göttlichen Offenbarung. Eine bedeutende Rolle in
dieser kirchlichen Überlieferung spielt die Liturgie, weil sie Ausdruck
der lebendigen Beziehung des Menschen zu Gott ist! Daher hat sie zu Recht
eine enorme dogmatische Bedeutung gewonnen, woran uns Papst Pius XII. in
seinem Rundschreiben über die Liturgie aus dem Jahre 1947 erinnert: „So
oft es sich deshalb um feierliche Entscheidung über eine göttlich
geoffenbarte Wahrheit handelte, haben die Päpste und Konzilien, wenn sie
aus den sogenannten theologischen Quellen schöpften, nicht selten auch aus
dieser theologischen Disziplin (der liturgischen - Anm. des Autors)
Beweise entnommen“ („Mediator Dei“ III, 36).
In der Vergangenheit haben wir in unserer Zeitschrift unter der Rubrik
„Liturgisches“ häufig theologisch-dogmatische Ausführungen über die
Heilige Messe gebracht. Das scheint gerade in der heutigen Zeit wichtig zu
sein, da oft sogar katholische Christen selbst nicht genug Wissen über das
Wesen der Messe besitzen. Nun hier wollen wir uns verstärkt damit
beschäftigen, wie man betrachtend den eucharistischen Gottesdienst
mitfeiern sollte oder könnte, um möglichst viel persönlichen geistigen
Nutzen daraus zu ziehen. Die Liturgie soll hier hauptsächlich als
persönliche Begegnung mit Christus verstanden werden! Auf viel
theologische Ausführungen verzichten wir bewußt, nur das Notwendigste soll
zwecks besseren Überblicks Erwähnung finden; auch der geschichtlichen
Entwicklung der Liturgie wird nicht unsere Hauptaufmerksamkeit gelten.
Ständig ermahnt uns die hl.Mutter Kirche, tiefer in den Geist der Heiligen
Messe einzudringen, um so ihren wahren Wert zu erkennen und sie immer mehr
schätzen zu lernen. Die beste Wertschätzung eines Gegenstandes ist
bekanntlich ihr richtiger und nutzbringender Gebrauch. Die folgenden
kurzen Ausführungen über die Römische Liturgie, die keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben können, wollen nur einen Versuch einer
Hilfestellung bei dieser Bemühung darstellen. Intensive Mitfeier der
Liturgie soll ein weiteres Eindringen in Geist der Heiligen Messe
bewirken.
Dieses tiefere Verständnis der Heiligen Messe und ihre innere Mitfeier
werden entscheidend auch dazu beitragen, die Überflüssigkeit und den
Schaden der sogenannten modernistischen „Liturgiereform“ zu erkennen, die
in den letzten Jahrzehnten in der Amtskirche durchgeführt wurde. Es
besteht nämlich ein großer Unterschied, ob die entsprechende Liturgie
apostolischen Ursprungs ist und Jahrhunderte hindurch den Menschen das
ewige Heil vermittelt hat, oder ob sie von Theologen und „Hirten“, die
offensichtlich den Boden des wahren katholischen Glaubens verlassen haben,
künstlich erstellt bzw. gutgeheißen worden ist!
Neben dem Römischen Ritus gibt es in der katholischen Kirche einige andere
apostolische Meßriten (den byzantinischen, koptischen, armenischen usw.),
die alle von der Kirche anerkannt worden sind und denselben göttlichen
Geist atmen. Naturgemäß wollen wir uns hier auf den Römischen Ritus
beschränken.
2. Vorbereitende Gebete
a) Das Heilige Meßopfer ist der größte Schatz und der erhabenste
Gottesdienst der katholischen Kirche, weil sich in ihm das ganze Leben
Jesu Christi erneuert, zwar sakramental verborgen, aber dennoch real. Vor
allem wird Seine einzigartige Erlösertat, das Kreuzesopfer,
unblutigerweise „gegenwärtiggesetzt, sein Andenken bis zum Ende der Zeiten
fortdauern gelassen und (uns) dessen heilbringende Kraft zur Vergebung der
Sünden, die wir täglich begehen, zugewandt“ . Deswegen weist die Kirche
den zelebrierenden Priester an, mit reinem Herzen und innerer Sammlung an
den Altar zu treten. Durch Gebet und Betrachtung soll er sich für den
erhabenen Gottesdienst rüsten. Dabei kann er die im Meßbuch stehenden
Vorbereitungsgebete benutzen. Obwohl diese für den Priester nicht zwingend
vorgeschrieben sind, wollen wir hier dennoch auf sie eingehen, um so
besser die Absichten und Intentionen der Kirche zu erkennen, die sie mit
diesen Gebeten verbindet. Außerdem soll Ihnen, liebe Leser, auch der
Zugang zu diesen wunderbaren Gebeten ermöglicht werden.
Im Psalm 83, der als erster gebetet wird, drückt der Priester zusammen mit
dem alttestamentarischen Psalmensänger sein Verlangen und seine Sehnsucht
nach Gott und dessen hehrem Haus aus: „Wie lieblich sind Deine Gezelte, o
Herr der Heere! Meine Seele hat sich gesehnt, ja verzehrt nach den Höfen
des Herrn. Mein Herz und mein Leib jubelten zu dem lebendigen Gott. Auch
der Sperling findet ein Heim, die Schwalbe ein Nest, ihre Jungen darin zu
bergen: (so sind für mich) Deine Altäre, o Herr der Heere, mein König und
mein Gott“ (1-4). „Herr, Gott der Heere. Höre mein Gebet! Vernimm es, Gott
Jakobs! Du unser Schild, blicke her, o Gott! Schaue hin auf das Antlitz
Deines Gesalbten! Denn ein Tag in Deinen Höfen ist besser als tausend
woanders. Auf der Schwelle im Haus meines Gottes zu stehen, ist mir
lieber, als Gast zu sein in den Gezelten der Frevler“ (9-12a).
In den nun folgenden Psalmen 84, 85 und 129 steigt ein förmliches Flehen
zum Himmel empor: „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o Herr; erhöre meine
Stimme. Mögen Deine Ohren achten auf meine flehentlichen Worte. Von der
Morgenröte bis zur Nacht hoffe Israel auf den Herrn; denn bei dem Herrn
ist Erbarmen, und mannigfaltig bei Ihm Erlösung“ (129, 1f.6f.). „Erbarme
Dich meiner, o Herr, denn zu Dir flehe ich beständig. Erfreue das Herz
Deines Dieners, denn zu Dir, o Herr, erhebe ich mein Gemüt. Denn Du, o
Herr, bist gütig und mild, sehr barmherzig gegen alle, die Dich anrufen.
Vernimm, o Herr, mein Gebet und höre auf meine Bittworte. Am Tage meiner
Trübsal rufe ich zu Dir, weil Du mich erhörst“ (85, 3-7). „Du hast
erlassen Deinem Volk die Sünden; Du bedeckst alle ihre Vergehen. Du
mäßigst Deinen ganzen Zorn, Du hast abgelassen von Deiner großen
Entrüstung. Stelle uns wieder her, o Gott, unser Retter, und wende von uns
ab Deinen Zorn. O Gott, erquicke uns von neuem; und Dein Volk erfreut sich
in Dir. Erzeige uns, o Herr, Dein Erbarmen und Dein Heil verleihe uns“
(84, 3-5,7f.). Der Christ erkennt seine Niedrigkeit vor Gott und seine
Hilfsbedürftigkeit. Ebenfalls ist er sich seiner Abhängigkeit vom Schöpfer
und Erlöser bewußt. Über seine begangenen Sünden erfüllt ihn ein tiefer
Reueschmerz. Eingedenk ist der Priester aber auch der großen Wohltaten und
Gnaden, die Christus ihm bereits gespendet hat.
Neben dem Sühn- und Bittopfer ist die Heilige Messe ja auch das höchste
Dank- und Lobopfer. Deswegen spricht der Priester im Hinblick auf die zu
beginnende Meßfeier: „Was soll ich vergelten dem Herrn für alles, was Er
mir erwiesen? Den Becher des Heils (den Kelch) will ich nehmen und anrufen
den Namen des Herrn. Dir will ich darbringen ein Lobopfer und den Namen
des Herrn anrufen. Mein Gelübde will ich dem Herrn erfüllen vor Seinem
ganzen Volk; im Vorhof des Hauses des Herrn, in deiner Mitte, o Jerusalem“
(Ps 115, 3f.8-10).
b) Nun folgen einige Gebete und Lesungen, die uns helfen sollen, die
richtige Andacht zu gewinnen. Im ersten Gebet wird die Milde und Güte
Gottes beschworen: „Wende, o sanftmütigster Gott, die Ohren Deiner Güte
unseren Bitten zu und erleuchte mit der Gnade des Heiligen Geistes unser
Herz: damit wir verdienen, Deinen Geheimnissen würdig zu dienen und Dich
mit ewiger Liebe zu lieben“. Die zweite Oratio ruft uns in Erinnerung, daß
dem Herrn kein Gedanke geheim bleibt: „O Gott, vor Dem jedes Herz offen
und vor Dem jeder Wille Rede steht, und Dem kein Geheimnis verborgen
bleibt, reinige durch die Eingießung des Heiligen Geistes die Gedanken
unseres Herzens; damit wir verdienen, Dich in vollkommener Weise zu lieben
und würdig zu loben“. Im dritten Gebet wird noch intensiver um die Gnade
des Heiligen Geistes gefleht: „Bringe durch das Feuer des Heiligen Geistes
unser Gemüt und unsere Herzen zum Brennen, o Herr: damit wir Dir mit einem
keuschen Leib dienen und aufgrund eines reinen Herzens gefallen mögen“.
Nicht vergessen wird, daß der Heiland in uns eine bleibende Stätte haben
möchte: „Reinige, o Herr, unser Inneres aufgrund Deines Besuches, wir
bitten Dich, damit unser Herr Jesus Christus, wenn Er kommt, in uns eine
für Ihn ausgestattete Wohnung finde“.
c) In den für jeden Tag der Woche eigenen Lesungen versucht der hl.Bischof
und Kirchenlehrer Ambrosius, dem Priester dessen Unwürdigkeit vor Augen zu
führen. Am Sonntag heißt es z.B.: „Lehre mich, Deinen unwürdigen Diener,
den Du neben anderen Deinen Gütern ohne jeglichen eigenen Verdienst allein
durch die Herablassung Deiner Barmherzigkeit auch zum priesterlichen
Dienst zu berufen Dich gewürdigt hast; lehre mich, ich bitte Dich, durch
Deinen Heiligen Geist, dieses große Geheimnis mit solcher Ehrfurcht und
Achtung, mit solcher Andacht und heiliger Scheu zu verrichten, wie es sich
gebührt und geziemt. Befreie mein Herz von unreinen und gottlosen, eitlen
und schändlichen Gedanken. Stärke mich durch den liebevollen, gütigen und
sichersten Schutz der heiligen Engel, damit die Feinde alles Guten
beschämt weichen mögen“.
Wenn wir den Sinn der Heiligen Messe und ihre Bedeutung für das
christliche Leben berücksichtigen, erfassen wir auch die Notwendigkeit
folgender Worte: „Wer kann dieses Opfer würdig feiern, wenn nicht Du,
allmächtiger Gott, ihn würdig machst? Ich weiß, o Herr, und zwar ganz
sicher, und dasselbe bekenne ich Deiner Güte, daß ich nicht würdig bin,
wegen meiner zahlreichen Sünden und unendlichen Nachlässigkeiten zu dieser
heiligen Feier heranzutreten. Aber ich weiß, und wahrhaftig glaube ich es
mit meinem ganzen Herzen und bekenne es, daß Du mich würdig machen kannst,
der Du allein den Unreinen rein und die Sünder gerecht und heilig machst.
Durch diese Deine Allmacht bitte ich Dich, mein Gott, daß Du mir, dem
Sünder, gewährst, dieses Opfer zu feiern mit Furcht und Zittern, mit
Tränen und Reinheit des Herzens, mit geistiger Freude und himmlischem
Genuß. Möge meine Seele die Süßigkeit Deiner seligen Gegenwart verspüren
und die Wachposten Deiner heiligen Engel um mich herum wahrnehmen“.
Der Priester soll sich auch seiner großen Verantwortung bewußt sein, einst
wird er „als Diener Christi und als Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1
Kor 4,1) streng für sein Amt Rechenschaft ablegen müssen: „Und weil Du
mich, den Sünder, zu einem Mittler zwischen Dir und diesem Deinen Volk
aufstellen wolltest, obwohl Du in mir nicht die Spur von guter Tat
erkennst, laß wenigstens nicht vergeblich sein den mir übertragenen
Verwalterdienst; damit nicht durch mich, den Unwürdigen, zunichte werde
der Preis der Erlösung derer, für die Du Dich gewürdigt hast, ein
heilsames Schlachtopfer und Rettung zu sein“.
Gebetet wird für die Seelen der verstorbenen Christgläubigen, daß das
Meßopfer ihnen Rettung, Heilung, Freude und Erquickung sei. Seine Zuflucht
sucht der Priester bei der allerseligsten Jungfrau Maria, der Mutter der
Gnade und Erbarmung, sie möge ihm und allen Priestern behilflich sein, wie
sie auch ihrem am Kreuz Sich opfernden Sohn beigestanden ist. Der hl.
Josef, alle Engel und Heiligen, insbesondere der Tagesheilige, sollen
ebenso dem Zelebranten helfen, das Heilige Meßopfer Gott wohlgefällig
darzubringen.
Den Gläubigen wird ebenfalls eine würdige Vorbereitung dringend ans Herz
gelegt! Man sollte möglichst vor Beginn der Heiligen Messe im Gotteshaus
erscheinen, um durch die Stille die eigenen Gedanken zu sammeln, um sich
auf das bevorstehende sakrale Geschehen zu konzentrieren und sich durch
Gebet darauf einzustellen. Nur bei voller Konzentration kann das Meßopfer
- von Anfang an - würdig mitgefeiert werden.
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