Überwindet
das Böse durch das Gute (vgl. Röm.12,21)
31. Januar: Hl. Don Bosco, 1815 - 1888
Bei den Heiligen werden oft zu Recht
Erfolge und auffallenden Taten hervorgehoben. Doch alle ihre großen
Werke der Liebe sind und waren nur möglich durch treue Übung der Liebe
in den kleinen Dingen des Alltags.
Beim lieben Gott zählt nicht der nach menschlichen Gesichtspunkten
messbare „Erfolg“, sondern der gute Wille! Prüfungen sind dabei ein
Entscheidungspunkt für den Menschen und für seinen Idealismus: Ob er
sich durch Missgeschick vom Guten abbringen lässt, oder ob er im
Vertrauen auf Gottes Willen mutig weiterkämpft.
Alle Jünger Jesu müssen beim Einsatz für Gottes Reich - wie Jesus selbst
- auch herbe Rückschläge und menschliche Enttäuschungen erleben. Aber
das Reich Gottes lebt davon, dass es Menschen gibt, die sich in der
Gnade und Liebe Jesu nicht beirren lassen.
Das Kreuz, in der Nachfolge Jesu getragen, ist für den Jünger kein
bloßes Übel, sondern - von Gottes Weisheit gesandt und zugelassen - ein
Geschenk, das uns hilft, unsere Liebe in der Liebe Christi zu läutern,
sich mit Seinem Leiden zur Rettung der Seelen zu vereinen, das Gute
klarer zu erkennen, vom wahren, übernatürlichen, Glanz der Liebe Gottes
immer mehr erfüllt zu werden und so immer besser Zeugnis für die Liebe
Jesu geben zu können!
Dabei dürfen wir natürlich eines nicht vergessen: Nur in der Gnade, in
der Liebe Gottes und im Heiligen Geist können wir überhaupt etwas Gutes
tun! Allein wären wir dazu nicht fähig, selbst wenn uns das eine oder
andere - vordergründig gesehen - manchmal „ganz toll“ gelingen mag.
Wer auf sich selbst vertraut und sich selbst in den Mittelpunkt seines
Schaffens stellt, kann nichts wirklich Wertvolles mehr hervorbringen. Es
fehlt die Quelle alles Guten, Gottes Liebe. Übermäßige Selbstbezogenheit
oder ein falsches menschliches Selbstvertrauen münden in bloß
menschlicher Berechnung, gebären dabei unbegründeten Hochmut oder
Kleinmut und machen so vieles Wertvolle, das wir erreichen könnten oder
vielleicht schon erreicht zu haben glauben, wieder zunichte!
Wer die wahre und alleinige Ausrichtung auf Jesus hin aufgibt, der
beginnt zu sinken. Das musste sogar Petrus erfahren, als er, auf dem
Wasser wandelnd, den Blick von Jesus abwandte (vgl. Mt.14,29ff.).
Alle Heiligen haben ihre Arbeit für das Reich Gottes nicht aus ihrer
eigenen Kraft vollbringen können, sondern nur, weil sie sich von Jesus
an der Hand nehmen und führen ließen. Nur so konnten sie in Seiner Liebe
wachsen, nur so konnten ihre Werke gedeihen und sich auf ein gutes Ziel
hin entwickeln.
In der Liebe und Gnade Jesu wurde auch ihre Liebe stark. Sogar dort, wo
viele Menschen ihr Herz verhärten, weil sie befürchten, beim Gutes-Tun
ausgenützt zu werden! Jesus Liebe hilft auch dort, die Liebe zu leben,
nicht in menschlicher Kurzsichtigkeit oder Naivität, sondern in der
Klarheit des Heiligen Geistes!
Indem wir im Heiligen Geist uns selbst als der Liebe Christi unwert
erkennen und trotzdem erfahren, wie Er uns wie verlorene Schafe in der
Hingabe des eigenen Lebens wieder heimgeholt und zu Kindern Gottes
gemacht hat, können wir auch unsere Brüder lieben!
Das heißt nicht, dass man das Unrecht nicht sehen oder nichts fordern
soll! Jesus selbst weist mit allem Nachdruck immer wieder auf die klaren
Forderungen der Liebe hin, ohne die es gar nicht möglich ist, Gutes zu
tun, ja, ohne deren Betonung man sogar mitschuldig am Bösen werden kann!
Doch als Jünger Jesu Christi sollen wir uns trotzdem durch das Böse
nicht überwinden lassen, sondern immer und überall bestrebt sein, das
Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm.12,21)! Wir sind gerufen, mit
Ihm zu sammeln, zu suchen und zu retten, was verloren war! Nur in diesem
Geist kann Gottes Reich wirklich wachsen und Gestalt gewinnen!
Das zeigen uns die Heiligen, das zeigt uns sehr klar auch der heilige
Don Bosco, dessen Fest wir am 31. Januar begehen. Auch er, der durch
seine herzliche, unkomplizierte und humorvolle Heiligkeit bekannt
geworden ist, hatte in seinem Leben viele bittere menschliche
Erfahrungen zu verdauen. Seiner Liebe und Großmut, die aus der tiefen
Liebe Christi gespeist wurden, tat das aber keinen Abbruch. Im
Gegenteil, die Widerwärtigkeiten verstärkten noch seine Bemühungen um
die gefährdeten Seelen der Menschen.
Auch sein Leben zeigt: Alles Böse der Welt soll und darf uns nicht von
dem Versuch abbringen, im Vertrauen auf Gott alles zu wagen und alles
von Ihm zu erhoffen!
Als der heilige Don Bosco im April 1847 einmal in Turin "an jener
verlassenen Stätte vorüberkam, die sich damals zwischen der Via
Doragrossa, nachmals Via Garibaldi, und dem Corso Valdocco erstreckte,
stieß er auf eine Schar von etwa zwanzig Gassenjungen, die unter dem
Schein einer Unterhaltung sich über ihn lustig zu machen begannen. Er
verstand sofort, was beabsichtigt war, aber anstatt sie zu meiden,
mischte er sich unter sie und bot ihnen einen guten Abend. Da änderten
sie sofort ihre Politik und aus dem Spott wurde eine Bitte: er möge
ihnen ein Glas Wein bezahlen. ‚Aber gewiss‘, erwiderte Don Bosco, ‚und
ich werde sogar mittrinken.‘ Und er führte sie in eine benachbarte
Weinwirtschaft. Natürlich erregte es nicht geringes Aufsehen, an diesem
Ort und zu dieser Stunde und in dieser Gesellschaft einen Priester
anzutreffen. Zum Glück kannten ihn die meisten, und da sie wussten, wer
er war, errieten sie auch seine Absicht.
Der Wirt musste erst eine und dann noch eine Flasche bringen, und als
der Gastgeber die Gesellschaft etwas gefälliger und beruhigter sah, ließ
er sich versprechen, dass sie sich künftig gewisser Flüche, die sie auch
in seiner Gegenwart nicht gespart hatten, enthalten würden.
‚So ist es recht‘, sagte er, ‚und jetzt gehen wir. Und ihr als brave
Burschen geht nun auch schön nach Hause.‘ ‚Aber ich habe kein Obdach‘,
meinte der eine. ‚Ich auch nicht‘, versetzte ein zweiter und auch noch
einige andere hinzu. Der eine schlief in einem Stall bei den Pferden,
der andere für vier Soldi in einem Nachtasyl und wieder ein anderer bei
Bekannten.
Don Bosco sah, welch sittlichen Gefahren sie dabei ausgesetzt sein
würden und machte den Vorschlag: ‚Dann machen wir es so: Wer Obdach oder
Bekannte hat, der mag gehen‘ und er verabschiedete sie ‚die andern aber
mögen mit mir kommen.‘
Gefolgt von den zehn bis zwölf, machte er sich auf den Weg nach Valdocco,
denn unterwegs hatten sich noch ein paar Nachzügler angeschlossen.
Im Oratorium angekommen, wo seine Mutter wegen seines Ausbleibens schon
bangte, ließ Don Bosco seine Gäste ihre Gebete aufsagen, die sie schon
nahezu vergessen hatten. Dann führte er sie über eine Leiter auf den
Heuboden, gab jedem ein Leintuch und eine Decke, empfahl ihnen
Stillschweigen und gute Ordnung zu halten, und indem er ihnen gute Nacht
wünschte, stieg er wieder herab, glücklich in der Meinung, nun ein
Hospiz eröffnet zu haben. Des Morgens, sobald es tagte, stand er auf, um
ihnen noch ein gutes Wort zu geben und sie an ihre Arbeit zu schicken.
Aber merkwürdig, vom Hof aus ließ sich nicht das leiseste Geräusch
vernehmen. Ob sie noch schliefen? Er steigt hinauf, sie zu wecken, und
bleibt offenen Mundes auf der Leiter stehen. Die Halunken hatten sich
längst aus dem Staub gemacht und Leintücher und Decken mitgehen lassen.
Der erste Versuch eines Hospizes war also fehlgeschlagen.
An einem Maiabend zu fortgeschrittener Nachtstunde und bei strömendem
Regen, als Don Bosco und seine Mutter eben gespeist hatten, klopfte ein
Junge von etwa fünfzehn Jahren, von Kopf bis Fuß durchnässt, an die Türe
und bat um ein Stück Brot und um ein Obdach. Wer hatte ihn geschickt?
Margherita frage nicht danach, sondern führte ihn liebevoll in die
Küche, ließ ihn sich wärmen und trocknen und stellte ihm Brot und einen
Teller Suppe hin. Auf Befragen Don Boscos erzählt er, er sei vor kurzem
aus Valsesia gekommen, um sich Maurerarbeit zu suchen, habe die drei
Lire, die sein ganzes Be¬sitztum ausmachten, ausgegeben und habe niemand
mehr auf der Welt. Man möge ihn um Gottes willen die Nacht in
irgendeinem Winkel des Hauses verbringen lassen. Und er begann zu
weinen.
‚Was sollen wir tun?‘, fragten sich Margherita und ihr Sohn, bis dieser
meinte:
‚Wenn ich dir trauen könnte, würde ich dich so gut es ginge,
unterbringen. Aber ich habe schon andere beherbergt, die mir einen Teil
meines Eigentums davontrugen Ich möchte nicht, dass du auch noch den
Rest mitnimmst.‘
‚Nein, Herr, seien Sie beruhigt, ich bin arm, aber gestohlen habe ich
noch nicht.‘
Man beriet sich noch und beschloss, einen Versuch zu machen und ihn über
Nacht in der Küche unterzubringen. Ob etwa diesmal die Töpfe an die
Reihe kommen, dachte Don Bosco, als er mit einer Matratze, zwei
Leintüchern und einer Decke das Bett zurechtmachte. Der Name dieses
ersten Bewohners ist unbekannt. Er blieb bis zum Winter bei ihnen und
war immer gut und dankbar. Dann zog er fort und gab an, er wolle in sein
Heimatdorf zurückkehren. Vielleicht starb er bald darauf, denn man hat
nie wieder von ihm gehört. Im folgenden Juni stellte sich ein anderer
Knabe ein, den Don Bosco spät abends getroffen hatte, und der, den Kopf
an einen Baum gelehnt, weinte, weil tags vorher die Mutter, seine
einzige Stütze, gestorben war und der Vermieter, der noch die Miete zu
fordern hatte, Hand auf den ärmlichen Nachlass gelegt und die Kammer
geschlossen hatte. Wenige Tage später war die Zahl der Beherbergten auf
sieben gestiegen.
Dies war der Anfang des Hospizes von Valdocco, das heute in über vierzig
Schlafsälen gegen tausend Betten aufweist“ (Crispolti, Filippo, Don
Bosco, Freiburg i.Br. 1921, hier zitiert nach Loreto-Bote Nr. 34, Lauerz
2002, S. 56f.).
Dies war aber nicht das einzige Haus, das Don Bosco für arme, verlassene
Jugendliche gegründet hatte. Bei seinem Tod waren es bereits 200 Häuser,
in denen unendlich viel Gutes für den Leib und für die Seelen dieser
vielen jungen Menschen getan wurde!
Wahre Liebe hört niemals auf (1Kor.13,8)! Was wäre aus all diesen
Menschen geworden, hätte Don Bosco nicht immer wieder neu die ersten
kleinen Schritte gewagt, hätte Don Bosco sich durch den Misserfolg die
Hoffnung und den Glauben an die Kraft des Guten - und damit Gottes -
nehmen lassen und dem Ruf der Liebe verschlossen?
Thomas Ehrenberger
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